Weltrettung by horse

Was alles passiert, wenn man unverhofft zu einem Pferd kommt...

31 Mai 2004

Freundschaft


Schnell hat sie sich integriert und lief mit den Großen mit, als hätte sie nie etwas anderes getan. Fjölnir, den einzigen Isländer in dieser Herde bis zu ihrer Ankunft, nahm sie gar nicht weiter zur Kenntnis. Dafür konnte man schon nach wenigen Tagen den Beginn einer wunderbaren Freundschaft beobachten. Als letztes Pferd vor ihr war eine Fuchsstute in die Herde gekommen, El Mañana genannt, etwas zickig veranlagt, da sie freies Herdenleben bis dahin noch gar nicht kannte. Dementsprechend schwer fiel es ihr, Anschluß zu finden. Umso willkommener war die Ankunft Andvakas. Endlich jemand, der noch neuer war als sie, der sich noch ein Pferd weiter hochdienen mußte, was auch immer ihre Beweggründe gewesen sein mögen, es war rührend anzusehen, wie sich die Beiden immer enger zusammenschlossen und schier unzertrennlich wurden. Das half später ungemein, als die meisten Einsteller dazu übergingen, die Pferde tagsüber auf den sogenannten Hungerpaddock zu stellen, um nicht lauter Weide-Tönnchen heranzuziehen. Denn so war eine Arbeitsteilung mit Marie, der Besitzerin El Mañanas, eine einfache Sache. Man brauchte nur eins der beiden Pferde auf der Riesenweide zu suchen und abzuholen - das andere kam freiwillig mit. Zugegeben, bis auf einmal. Irgendwie hatte ich meine süße Maus gekränkt, jedenfalls sah sie mich voll Verachtung an, als ich El Mañana holen kam, schnaubte mir ein verärgertes "Ihr könnt ruhig gehen, ICH bleib HIER" entgegen, und grinste sichtlich, als ich dann ihretwegen den weiten Weg nochmals machen mußte. Besonders bemerkenswert an dieser Freundschaft war allerdings, daß ich hier in der rheinländischen Diaspora in Marie eine Landsmännin aus dem schönen Coburger Land vorfand. Das Leben besteht aus wundersamen Zufällen.

Was die können...



So! Nun war's passiert! Ich hatte ein Pferd - und was macht man jetzt damit? Ich kann das einfach so von der Weide holen? Einfach so? Wann immer ich will? Ohne vorher jemanden zu fragen? Unglaublich! Und Reiten? Ich? Ein junges Pferd, gerade mal angeritten? Da kann ich doch nur alles falsch machen und verderbe dieses Wundertier! Aber irgendwann mußte es ja mal sein - gehen wir halt erst mal nur auf den Platz, da ist wenigstens ein Zaun ringsrum. Ja, Regine hatte gewarnt, junge Pferde fänden Platz nicht so prickelnd, aber der Zaun war das überzeugendere Argument. Die ersten paar Tage ging das auch ganz gut, wir machten ja auch nie sehr lange, aber irgendwann tat sie doch ihren Unmut kund. Es fing mit kleinen Bucklern an, Ansätze zum Steigen waren da, was mich natürlich in helle Panik versetzte, und dann stellte sie sich an den Zaun, Blickrichtung Weide - "da will ich hin, nicht hier im Kreis rumlaufen!" Und nach endlosen Sekunden der Verzweiflung raffte ich allen Mut zusammen - wozu hatte ich eine Gerte dabei, wenn nicht, sie anzuwenden? Aber Achtung! Nicht das Pferd erschrecken, wer weiß, was sie dann macht! Tief Luft geholt und mit der Gerte gaaanz vorsichtig "Tick" gemacht, und was passiert? Ein Ohr schnellt in meine Richtung, etwas indigniert meint sie "ach so, Du meinst es ernst. Sag das doch gleich" und dreht wieder ganz relaxt ihre Runden, wie ein ausgebufftes Schulpferd. Spätestens da war es klar, daß Regines Ratschläge nicht zu verachten sind und nun endlich mal Gelände angesagt war (Hatte ich schon erwähnt, daß ich mich seit Jahren bei meinen großen Schulpferden geweigert habe, mit ins Gelände zu gehen? Aus lauter Angst?). Die beste Idee war wohl, Marie zu bitten, uns mit El Mañana das Geleit zu geben. Nicht zuletzt, damit ich überhaupt mal die Wege kennenlernen würde. Das war nun einer der Nachteile dieser wunderschönen, riesengroßen Weide: es schloß sich kein Reitgelände unmittelbar an. Erst mußte man auf dem asphaltierten Feldweg durchs Katzenlochtal, dann über die Hauptverkehrsstraße, dann durch die Siedlung, und dann war man endlich da. Dann begann der Reitweg. Ein schöner Weg, und beim ersten Mal noch ewig lang (das relativierte sich dann später). Auf halber Strecke stand ein riesiges Rapsfeld in voller Blüte, worüber man sich schon mal furchtbar erschrecken mußte (als man sich später endlich daran gewöhnt hatte, verblühte das Gelb, was schon wieder furchterregend war, und dann wurde auch noch abgemäht, alles nur, um kleine Pferde zu ärgern und zu erschrecken), und am Ende des Weges erstreckte sich dann eine immens große Pfütze, bestimmt 5-6 Meter lang, und breit. Wie entsetzlich! "Da kann ich doch nicht durch, da ertrink ich doch! Siehst Du das nicht?" Ja, und dann marschierte El Mañana doch - zögernd zwar, aber immerhin - durch diese Monsterpfütze. Und mein süßes Pferd? Läßt wieder die Öhrchen rotieren, wirft sich in die Brust "Was DIE kann, kann ich auch!" und marschiert todesmutig hinterher. Damit war das Thema Pfütze abgehakt, es dauerte nicht lange, und sie zog es vor, sie im Trab oder lieber noch im Galopp zu durchqueren, das spritzte so schön. Und sie war immer ganz enttäuscht, wenn nach einer längeren Trockenzeit die Pfütze verschwunden war. Viel später einmal stolperte sie allerdings genau am Anfang der Pfütze und knickte so ein, daß mich die Schwerkraft mitten hinein katapultierte. Da stand dann mein Pferd leicht bedröppelt am Rand, und schaute mich an, als wolle sie fragen "was machst Du denn da drin?" Aber ich schweife ab. Nach dieser Heldentat wartete schon das nächste Abenteuer, denn um endlich endgültig in den Kottenforst zu kommen, hieß es noch die Autobahnbrücke zu überqueren. Meine süße Maus hat ja viel kennengelernt in ihrer Jugend, Traktoren, Tiefflieger - aber beim besten Willen keine Autobahnbrücke. Sehr verdächtig, das Ganze. Man soll den festen Boden verlassen und über tosende und brausende Autos hinweggehen. Ob das so ratsam ist? Aber hoppla, was ist das? El Mañana ist schon halb drüber? Was DIE kann, kann ich auch! Damit war auch das Thema Autobahnbrücke abgehakt. Bis zu dem Tag, viel später, als sie sich schon bei der Annäherung so merkwürdig benahm, zögerlich, furchtsam - so, wie ich sie gar nicht kannte. Und als wir um die Kurve kamen und die Brücke vor uns lag, wollte sie partout nicht weiter. "DAHIN geh ich nicht! Ich bin doch nicht lebensmüde! Nicht mit mir!" Es dauerte ziemlich lange (Menschen sind immer so begriffsstutzig), bis ich den Grund dafür erkannte: auf der Autobahn war ein Stau, die Autos tosten und brausten nicht, sie standen, alle! Doch ich hatte ja ein mutiges Pferd, das schließlich auch diese Herausforderung meisterte! Ich schweife schon wieder ab. Der Rest des Ausritts verlief eigentlich ereignislos, außer daß es ein wunderschönes Erlebnis war, mit meinem eigenen Pferd durch den Wald zu streifen - gut, ja, auf dem Reitweg, nicht quer durch, aber was soll's? Um aber dem Titel dieses Kapitels gerecht zu werden, seien auch noch zwei weitere Erlebnisse genannt. Auch wenn sie erheblich später stattfanden. Da war einmal der Ausritt mit Uta und Poldi, dem Haflinger, Agnes und Sancho, dem Friesenmix und Sabine und Gino, dem Friesen, zum Bahnhof Kottenforst, wo wir einkehren wollten. Dummerweise waren aber vor Erreichen des Lokals die Bahngleise zu überqueren, und es ist einer der Bahnübergänge, die so eine Gummimatte zwischen den Gleisen liegen haben. "Da drauftreten? Nie und nimmer! Schau Dich doch um! Poldi fallen vor Entsetzen fast die Augen aus dem Kopf und Sancho geht nur noch rückwärts! Und ich soll da rüber? Nie - Moment mal, Gino geht da rüber? Was DER kann, kann ich schon lange!" Und schon waren wir drüben, und die zwei anderne Paare folgten, die Angst, verlassen zu werden, war wohl noch schlimmer. Muß ich besonders erwähnen, daß Bahnübergänge, gleich welcher Art, künftig kein Problem mehr für uns darstellten? Und dann war da noch der Ritt mit Agnes und Sancho zum Jägerhäuschen. Das ist eine wunderschöne Strecke, die nur den Nachteil hat, daß man dabei dreimal ein Wildgitter zu überqueren hat. Schon Drainagerinnen, die quer über einen Weg führen, sind ja nicht ganz geheuer, Kanaldeckel sowieso nicht, und dann ein Wildgitter? Um nichts in der Welt! Allerdings - "Sancho geht da drüber? Was DER kann, kann ich schon lange!" Und so stellen auch Wildgitter für uns kein Hindernis mehr dar (wenn ich sie auch doch lieber vermeide, wenn irgend möglich, sie sind mir weniger geheuer als meinem Pferd) - im Gegenteil, als wir einmal El Mañana dabei hatten und die nicht drüber wollte, platzte mein Pferd fast vor Stolz, "guck doch mal, ich kann das! So geht das, komm doch, Du Feigling", und dabei vor und zurück auf dem Wildgitter, bis die Freundin überredet war.